Beschreibung
Henschelverlag, Berlin, 1970, 270 Seiten mit vielen Bildern. Gebunden Hardcover.
Dieses Buch möchte dem Leser durch Filme Aspekte italienischen Lebens vermitteln. Für die Auswahl waren in erster Linie ihr Inhalt, ihre Beziehung zur Wirklichkeit ausschlaggebend. Damit versteht sich, daß das vorliegende Buch keine ästhetische Analyse des italienischen Nachkriegsfilms sein kann. Es wurde nicht von einem Filmkritiker geschrieben, sondern von einem Menschen, der mit Bewunderung und Sympathie das ernsthafte Bemühen italienischer Filmkünstler verfolgt, ihr Land, dessen Menschen und Probleme so darzustellen, wie sie wirklich sind. Die meisten der hier zu Worte kommenden Regisseure und Autoren wissen, daß zur Veränderung der bestehenden kapitalistischen Gesellschaft in Italien die Kritik eben dieser Gesellschaft gehört. Diese Kritik üben sie von verschiedenen weltanschaulichen und moralischen Standpunkten und mit unterschiedlicher künstlerischer Begabung aus, aber immer aus Liebe zu ihrem Land. Deshalb kann gesagt werden, daß dieses Buch, das so viel Trauriges, ja Verdammenswertes vermittelt, ausschließlich Stimmen von guten Italienern enthält. Indem sie sich innerhalb der gegebenen Möglichkeiten ihrer Aufgabe des Analysierens und Aufdeckens unterziehen, setzen sie gleichzeitig den Italienern ein Denkmal, die in allen Volksschichten und in allen Lebensbereichen für soziale Gerechtigkeit, Menschenwürde und Fortschritt kämpfen. Es ist kein Zufall, daß sich unter den präsentierten Filmen eine große Anzahl von niveauvollen, ja von künstlerischen Welterfolgen findet. Denn es blieb vor allen anderen künstlerischen Ausdrucksmitteln dem Film vorbehalten, Spiegelbild jener geistigen Strömung zu werden, die sich in Italien, besonders in den letzten Kriegsjahren, ankündigte und im Film als Neorealismus seinen Niederschlag fand. Cesare Zavattini, einer der aktivsten und fruchtbarsten Erneuerer des realistischen Films, sagte einmal, daß dieser Neorealismus fast eine Ideologie war. Nach 1945 trat der italienische Film einen Siegeszug um die ganze Welt an. Filmplakate mit italienischen Namen klebten an den Kinos von New York und Moskau, von Tokio und Rio de Janeiro. Die wenigsten Kinogänger außerhalb Italiens hatten bis dahin Gelegenheit gehabt, italienische Filme zu sehen. Wen interessierten auch die Verfilmungen von viertklassigen Romanen, die schmetternden Tenöre, die man lieber hörte als sah, die banalen Geschichten vergangener Zeiten, die Produkte einer vom italienischen Faschismus beeinflußten Filmindustrie, weitab von jeder Realität. Lieber ging man in amerikanische Filme, bewunderte stets wohlfrisierte Heldinnen, kernige Männer, weiße Telefone und versenkbare Flügel, auf denen langbeinige Girls tanzten, die Traumfabrik Hollywoods. Und doch vermochten italienische Nachkriegsfilme das Interesse von diesen Äußerlichkeiten abzulenken - oft ohne Berufsschauspieler, ohne kostspielige Dekorationen und ohne raffinierte Technik. Filme, die einfache Menschen in armseliger Umgebung zeigten, die den eben erlebten Krieg und die Nachkriegswirren einfingen, die Bilder des italienischen Alltags auf die Leinwand brachten. Warum? Und warum gerade der italienische Film? Mit dem Auftauchen begabter und begeisterter Künstler allein ist dieses Phänomen nicht zu erklären. Ein kurzer Blick in die Vergangenheit des Films, in seine wirtschaftliche, politische und geistige Entwicklung wird nützlich sein, die jüngere und jüngste Gegenwart zu verstehen.