Beschreibung
Druckerei Glöß, Dresden, 1891, 19 Seiten. Broschur, Heft.
Im Reichstag wird Fürst Bismarck bei der Berathung des deutsch-österreichischen Handelsvertrages um das Wort bitten. Bei dieser Gelegenheit wird er eine Rede halten, die ein Seitenstück zu der großen Leistung vom 6. Februar 1888 sein wird. Fundamentirt auf den tiefsten Bedürfnissen unseres deutschen Daseins, wird sie zu einem gewaltigen Bau staatsmännischer Kunst emporstreben. Denn das ist stets Bismarck’sche Art gewesen: die genialen Kräfte in ihm bäumten sich umso höher auf, je tiefer er sich in seinem deutschen Lebensnerv angegriffen fühlte. Das aber geschah, als die selbstsüchtige österreichische Diplomatie die nationale Politik Bismarcks an ihrer intimsten Stelle, in der Fürsorge für die deutsche Landwirthschaft, anfaßte, und das träge Schlenderleben eines ungarischen Magnaten dem mühsamen Dasein eines deutschen Bauern politisch Überordnen wollte. Das Erscheinen des Fürsten Bismarck im Reichstage kann nicht mit genug Ungeduld erwartet werden. Der Kaiser redete einmal, er habe nicht die Empfindung von 1866, er habe nur die Empfindung von 1870. Wenn demnächst Bismarck ... Der kräftigste Staatsmann, den Oesterreich seit Rudolf von Habsburg hervorgebracht hat, war entsprechend der österreichischen Staatsnatur, die im Gegensatz zu dem knochigen Preußen weiblich genannt werden muß, eine Frau, Maria Theresia. Einen Mann, der an Kraft des natürlichen und geistigen Adels mit Bismarck nur vom Weitem zu vergleichen wäre, hat Oesterreich niemals gekannt. Gegen Bismarcks alten soliden Markadel ist selbst Metternich ein Emporkömmling, gegen seinen geistigen Adel ist er ein subalterner Legationsgeist, der nur zu oft aus fremder Kruke, aus dem Geiste eines Friedrich Gentz, das leere Tintenfaß seines staatsrechtlichen Wissens und seines politischen Denkens auffüllte. Auch Andrassy war im Vergleich zu Bismarck gerade nichts weniger, als ein tieffundirter Mann; er war ein frisches, liebenswürdiges Impromptu, das von der Geschichte ebenso glücklich extemporirt erschien, als er selbst nur von glücklichen politischen Inspirationen lebte. Es wäre nichts verkehrter, als aus dem Besonderen, was an ihm nützlich und liebenswerth war, auf den allgemeinen Grundcharakter der österreichischen Diplomatie Rückschlüsse zu machen. In ihrem wahren Grundzug ist sie sich seit zwei Jahrhunderten so getreu geblieben, daß schwerlich erkannt werden kann, daß das bewegende Motiv in ihr ein querulanter Egoismus ist. Oesterreich hat, um einen Ausdruck aus Goethes Götz zu verändern, niemals die moralische oder die staatsmännische Kraft besessen, sein ,,egoistisches Wasser zu halten«; das hat es bis auf den heutigen Tag nicht gelernt, obschon es 1891 genau so gut wie 1851 wissen mußte, daß es durch diese Unarten nur sein eigenes Bundesbett verunreinigt und auf die Dauer unschlafbar macht, und obschon es für diese krankhafte Angewohnheit 1866 schon einmal eine schwerverdiente Strafe erhalten hat. Aber Österreich hat niemals viel von der Geschichte gelernt.
Statut
mittlerer bis noch guter Zustand, Gebrauchs- und Alterungsspuren: Umschlag teils etwas fleckig - Umschlag und Seiten teils etwas eselsohrig, knittrig und mit kleinen Blessuren an den Rändern