Beschreibung
Otto Reichl, Darmstadt, 1923, 286 Seiten. Gebunden Leinen.
gedruckt in 1000 nummerierten Exemplaren (dies die Nr. 521), Einbandentwurf von F. H. Ehmcke WG² 50 " ... sagt Schopenhauer und lehrt damit, daß die Idee das sei, was den Materialisationspunkt der Erscheinung schafft. Diese Auffassung setzt die Naturgesetze mit den Ideen gleich und merkt nicht, daß die Gleichsetzung nur eine Verwechslung ist — eine Verwechslung, die bis zu Ende gedacht dazu führt, zwei völlig parallele Welten anzunehmen, derart, daß jeder Vorgang in der einen einen Vorgang in der anderen erzeugt. Entweder ist die erste Welt im Unterschied zur erscheinenden absolut, dann braucht und kann sie nicht erscheinen, oder sie unterscheidet sich nicht von der erscheinenden. Der Dualismus wird niemand befriedigen, er bietet nicht mehr als das Dogma der Religionen, das einem Schöpfer die Tätigkeit überträgt, der parallele Handlungen in einer zweiten Sphäre entsprechen. Die Ideenwelt wird zu einer Registratur, in der alle erscheinenden Dinge vorkommen, oder zu einer Zentrale, in der auf eine elektrische Taste gedrückt wird, durch die die Erscheinung Wald mit der Idee Wald in Verbindung steht. Ernsthaftere Behandlung verdient die Auffassung, die den Regulativen den Namen Ideen beilegt. Regulative, etwa Gerechtigkeit, Liebe, Gleichheit, Harmonie, suchen die erscheinende Welt zu ordnen, sie setzen fest, daß die Natur gezwungen sei, sich zu ordnen, und daß der Mensch versuchen müsse, sieh, seine Gedanken, seine Beziehung zu den Mitmenschen, seine Geschichte und seine Gesellschaft zu ordnen. Beide Aussagen, diejenige von der Natur und diejenige von den Menschen, sind richtig, aber zu eng. Die Natur ist harmonisches System, insofern sie sich behauptet, aber nicht auf die Erfüllung dieser Tendenz hin betrachtet. Beim Menschen wird es noch deutlicher, daß er Harmonie sucht, nie dauernd finden kann. Harmonie der Natur und Harmonie des Menschen sind Bestrebungen, den absoluten Gleichgewichtspunkt zu finden — man stößt wiederum auf die Immanenz, d. h. die unvollendete Anlage der Welt, und muß die ewige Spannungsprogression einsetzen, also praktisch die Kräfte nicht übersehn, die die Sphäre der nicht vollendeten Intention böse, elementar, dämonisch bleiben lassen. Die Lehre von den Regulativen ist idealistischer, nicht realer Natur, sie unterschlägt einige Gegebenheiten, z. B. die Trennung der Erscheinungen, die weder von den Erscheinungen noch in der totalen Welt aufgehoben werden kann. Keine Ideenlehre ist haltbar, die die Ideen in dem Sinn in die erscheinende Welt zieht, daß diese, die Welt, jene, die Ideen, verwirkliche. Die entscheidende Aussage über den Absolutismus der Ideen lautet: es gibt nur eine Idee, und diese ist nicht selbst das Absolute, d. h. unverrückbarer, gesetzgebender Mittelpunkt, Ausgang und Ziel, sondern nur die Richtung zu ihm hin. Es gibt nur die Idee der Erfüllung, und sie verweist nicht auf das Jenseits der erscheinenden Welt ...".