Fryd, Norbert

die Seiten sind gebräunt, der Umschlag ist fleckig und an den Kanten bestoßen, Hoch droben kreisen die Geier. Die Erde unter ihnen ist hart und tot. In den armseligen Dörfern des mexikanisdien Hochlandes gibt es kein Wasser. Einen Brunnen müßte man graben - denkt Manuel, der junge Indio -. dann lohnte es sich, weiterzuleben. Einen Brunnen? Das dulden die andern nicht, die reichen Bauern im Tal. Freihlich es gibt ein uraltes Gesetz, daß Landarme, die sich zu einem Ejido vereinigen, ein Recht auf Boden haben. Über Recht und Gesetz aber entscheidet in Santamaria der Bürgermeister, und der ist ein Reicher. Der Pfarrer, der Gouverneur, der General Icaza. der Doktor Brante - sie alle sind Reiche, und ein einzelner armer Indio kann nichts gegen sie ausrichten. Und wenn es nun viele sind. fast alle Männer des Dorfes: Der Bürgermeister wird auf sie schießen lassen! Dann bleibt ihnen nur der Hungermarsdi in die Hauptstadt, zum Präsidenten. Die Stadt ist schön und grausam für die Armen. Auch in drr Stadt bestimmen andere. was Recht ist. Krächzend flattern sie um den Präsidenten, lauern gierig auf Aas. . . Noch mehr müßten sich gegen sie zusammentun: dreißig Bauern sind nicht stark genug. Wenn nun aber etwas Unvorstellbares geschiebt, wenn auf einmal die Lichter der Stadt verlöschen, alle Taxis stillstehen - wenn ihr mäditiger Arm die Herren zwingt? Geierbrunnen sollte heißen, der neue Brunnen, den sich die Bauern erkämpft haben, aber sie geben ihm schließlich einen anderen Namen, den Namen des alten Indios, der ihn bewachte und den die Feinde des Volkes ermordeten. (aus dem Buch) 4b4b