Beschreibung
Johann Friedrich Bause (1738 Halle a. d. Saale - 1814 Weimar). Brustbild des Mannes mit Knebelbart und Mütze nach einer Zeichnung von Christian Wilhelm Ernst Dietrich. Radierung und Kupferstich, 20,4 x 16,7 cm (Plattenmaß), 37,5 x 27,8 cm (Papiermaß), links unten bezeichnet „C. W. E. Dietrich del.“, rechts unten signiert und datiert „J. F. Bause fec 1782“.
Keil, Nr. 24. II. Zustand in brauntonalem Abzug mit breitem Rand. Plattenkante teilweise leicht gebräunt und im breiten Rand angestaubt.
zum Werk
Die in rembrandtscher Manier dargestellte Person blickt den Betrachter durchdringend an und ist - trotz dieser Schärfe - doch in einem malerischen Fluidum gegeben, das entscheidend zur anziehenden Aura dieses Bildes beiträgt. Die aus dem Jahre 1777 datierende erste Version der Grafik war eine reine Radierung. Diese Technik beherrschte Bause ebenso virtuos wie den Kupferstich, so dass es ihm gelang, feinste Licht-Schatten-Nuancierungen zu erzeugen, wie sie insbesondere bei den auf der rechten Seite hinterleuchteten Strähnen der fülligen Haarpracht vor Augen stehen. Nach fünf Jahren wandte sich Bause 1782 erneut dem Bild zu, was für den vielbeschäftigen Künstler eine Besonderheit darstellt, weshalb diesem Werk für Bauses künstlerisches Selbstverständnis eine besondere Relevanz zukommt, zumal das Bild nicht als Auftragsarbeit entstanden ist. Im zweiten Anlauf überarbeitete Bause die Platte mit dem Grabstichel, was zu einer Präzisierung der Radierung führte, aus der die im Blick kulminierende Prägnanz der Darstellung resultiert. Zugleich wird die neu gewonnene Schärfe aber durch den nun verwendeten warmen Braunton erneut atmosphärisch aufgeladen, wozu auch die beinahe gänzlich vom dargestellten Gegenstand gelösten freien Schraffuren beitragen, die den mit dem Grabstickel präzisierten Mantel am Kragen überlagern.
Die erfolgte Überarbeitung verdeutlicht, dass die druckgrafische Reproduktion - in diesem Fall einer Zeichnung von Dietrich - nicht als möglichst akribische Kopie aufgefasst worden ist, was aufgrund des medialen Sprungs von der Zeichnung oder dem Ölbild in die Grafik auch gar nicht möglich ist, sondern als eine Neuschöpfung verstanden worden ist, die zugleich eine Interpretation des re-produzierten Werks darstellt. Die druckgrafische Reproduktion ist mithin eine schöpferische Kunst der Interpretation, die hier auf das künstlerische Selbstverständnis Bauses zugespitzt ist. Georg Keil berichtet, dass Bause - wie die dargestellte Person - schönes langes Haar gehabt hätte, das er jeden Tag frisieren zu lassen pflegte. Was an dieser Anekdote auch immer Wahres sein mag, liegt ihr wahrer Kern darin, dass sich Bause hier durch die Vorlage der Zeichnung gebrochen selbst als Künstler zeigt, was noch zusätzlich bestärkt wird, indem sich Dietrichs Zeichnung auf die in Rembrandts Oeuvre so zentralen Selbstbildnisse bezieht.
„Als Portraitstecher gehört er [d.i. Bause] zu den ausgezeichnetsten Meistern. [...] Die Freiheit und Sicherheit des Malers findet man ungeschmälert in seinen gestochenen Bildnissen wieder. Die Fleischpartien sind vortrefflich und mit unendlicher Zartheit und Weichheit behandelt, und jeder Stoff ist in seinem Charakter treu und wahr ausgedrückt.“
Georg Keil
zum Künstler
Der früh verwaiste Johann Friedrich Bause bildete sich im Selbststudium zum Künstler aus und gehört damit - wie Daniel Nikolaus Chodowiecki - zu den großen Autodidakten des 18. Jahrhunderts. Stach er zunächst Buchschmuck für Hallenser Buchhändler, ging Bause 1759 für ein Jahr nach Augsburg, um sich dort unter der Leitung von Johann Jacob Haid weiterzubilden und die Schabkunstmanier zu erlernen. In Augsburg schloss er mit dem etwa gleichaltrigen Anton Graff Freundschaft, der Bause in Augsburg porträtierte. Später, in Bauses Leipziger Zeit, logierte Graff bei Bause, der insgesamt 45 seiner Porträts stechen sollte, während Graff Bause seinerseits noch mehrfach porträtierte.
Von Augsburg zurück in Halle begann Bause Zeichnungen druckgrafisch umzusetzen, wobei er Zeichnungen des von ihm überaus geschätzten, in Paris ansässigen Georg Friedrich Wille bevorzugte. 1766 widmet er Wille das Blatt Die fleißige Hausfrau nach Gerard Dou (Keil, 35). Wille erkannte das Talent Bauses und trat mit ihm in Kontakt, woraus sich eine bis zu Willes Tod, im Jahre 1808, währende Brieffreundschaft entspann.
1766 wurde Bause von Adam Friedrich Oeser als Lehrer für Kupferstich an die neu gegründete Leipziger Zeichenakademie berufen. In Leipzig ließ sich Bause in seinem Haus eine Druckpresse installieren, um die Druckqualität der Stiche auf höchstem Niveau zu halten.
1786 wurde Bause Ehrenmitglied der preußischen Akademie, 1796 derjenigen von Stockholm. Mit nachlassendem Augenlicht fertigte er 1809 seinen letzten Stich, das Porträt seines Schwiegersohn, an. 1813 verließ er aufgrund der französischen Besatzung mit seiner Frau und seiner verwitweten Tochter die Stadt und übersiedelte nach Weimar, wo er bald darauf starb.
Das Oeuvre des im späten 19. Jahrhundert in Vergessenheit geratenen Künstler erfreut sich einer allmählichen Wiederentdeckung, wovon die jüngste in Leipzig und Luxemburg gezeigte monographische Ausstellung zeugt.
Auswahlbibliographie
Georg Keil: Catalog des Kupferstichwerkes von Johann Friedrich Bause, Leipzig 1849.
Nicole Linke: Johann Friedrich Bause. Ein heute kaum bekannter hallescher Kupferstecher des 18. Jahrhunderts. In: Von Nutzen und Vergnügen. Aus dem Kupferstichkabinett der Universität Halle, hrsg. v. Ralf-Torsten Speler, Halle 1999.
Stephan Brakensiek (Hrsg.): Leipziger Allerlei – Johann Friedrich Bause (1738–1814) und der Porträtstich im 18. Jahrhundert, Trier 2014.
ENGLISH VERSION
Johann Friedrich Bause (1738 Halle a. d. Saale - 1814 Weimar). Half-length portrait of a man with beard and cap after a drawing by Christian Wilhelm Ernst Dietrich. Etching and copper engraving, 20,4 x 16,7 cm (plate size), 37,5 x 27,8 cm (paper size), inscribed at lower left "C. W. E. Dietrich del.", signed and dated at lower right "J. F. Bause fec 1782".
Keil, no. 24. II. Brown tonal print with broad margins. Plate edge partly slightly browned and dusty in the wide margin.
About the artwork
The sitter, in the manner of Rembrandt, gazes out at the viewer with a penetrating gaze and yet, despite this sharpness, is given a painterly fluidity that contributes decisively to the attractive aura of this picture. The first version of the print, dating from 1777, was a pure etching. Bause's mastery of this technique, as well as of engraving, enabled him to create the finest nuances of light and shadow, as is particularly evident in the backlit strands of hair on the right side of the head. In 1782, after five years, Bause returned to the painting, which was unusual for the busy artist, and therefore this work has a special significance for Bause's artistic self-conception, especially as it was not a commissioned work. In the second attempt, Bause reworked the plate with a chisel, resulting in a more precise etching and a more concise depiction, culminating in the gaze. At the same time, however, the newly acquired sharpness is charged with atmosphere by the warm brown tone now used, to which the free hatchings, almost completely detached from the subject, also contribute, superimposing the coat on the collar, which has been made more precise with the graver.
The reworking that has taken place makes it clear that the graphic reproduction - in this case of a drawing by Dietrich - has not been conceived as the most meticulous possible copy, which is not even possible because of the medial leap from drawing or oil painting to graphic art, but as a new creation, which at the same time represents an interpretation of the reproduced work. Graphic reproduction is thus a creative art of interpretation, which is here sharpened to Bause's artistic self-conception. Georg Keil reports that Bause - like the sitter - had beautiful long hair, which he had styled every day. Whatever truth there may be in this anecdote, its true essence lies in the fact that Bause here shows himself as an artist refracted through the template of the drawing, which is reinforced by the fact that Dietrich's drawing refers to the self-portraits so central to Rembrandt's oeuvre.
"As a portrait engraver he [i.e. Bause] belongs to the most excellent masters. [...] The freedom and certainty of the painter are undiminished in his engraved portraits. The parts of the flesh are exquisitely treated with infinite delicacy and softness, and every substance is faithfully and truly expressed in its character".
About the artist
Johann Friedrich Bause was orphaned at an early age and trained himself as an artist, making him one of the great self-taught artists of the 18th century, along with Daniel Nikolaus Chodowiecki. Initially Bause engraved book decorations for booksellers in Halle, but in 1759 he went to Augsburg for a year to study the mezzotint technique under Johann Jacob Haid. In Augsburg he became friends with Anton Graff, who was about his age and who painted portraits of Bause in Augsburg. Later, during Bause's time in Leipzig, Graff stayed with Bause, who would engrave a total of 45 of his portraits, while Graff in turn portrayed Bause several times.
Back in Halle from Augsburg, Bause began to produce prints, preferring drawings by Georg Friedrich Wille, a Parisian artist whom he greatly admired. In 1766 he dedicated the print Die fleißige Hausfrau after Gerard Dou (Keil, 35) to Wille. Wille recognised Bause's talent and contacted him, which led to a correspondence that lasted until Wille's death in 1808.
In 1766 Bause was appointed by Adam Friedrich Oeser to teach copper engraving at the newly founded Leipzig Academy of Arts. In Leipzig Bause had a printing press installed in his house to keep the quality of the engravings at the highest level.
In 1786 Bause became an honorary member of the Prussian Academy and in 1796 of the Stockholm Academy. In 1809, with failing eyesight, he made his last engraving, a portrait of his son-in-law. In 1813, due to the French occupation, he left the city with his wife and widowed daughter and moved to Weimar, where he died soon after.
The artist's work, which fell into oblivion at the end of the 19th century, is gradually being rediscovered, as shown by the recent monographic exhibitions in Leipzig and Luxembourg.
Selected bibliography
Georg Keil: Catalog des Kupferstichwerkes von Johann Friedrich Bause, Leipzig 1849.
Nicole Linke: Johann Friedrich Bause. Ein heute kaum bekannter hallescher Kupferstecher des 18. Jahrhunderts. In: Von Nutzen und Vergnügen. Aus dem Kupferstichkabinett der Universität Halle, hrsg. v. Ralf-Torsten Speler, Halle 1999.
Stephan Brakensiek (Hrsg.): Leipziger Allerlei – Johann Friedrich Bause (1738–1814) und der Porträtstich im 18. Jahrhundert, Trier 2014.